Howard Carpendale in Erfurt: Charisma, Mick Jagger und das Älterwerden
Erfurt. Mit „Lets do it again, again“ gastiert der gefeierte Sänger in Erfurt. Im Gespräch verrät er, was er mit Mick Jagger und den Beatles zu tun hatte.
Ein Lied genügte, um ihm für alle Zeiten einen Platz im Schlagerhimmel zu sichern. Doch Howard Carpendale ist mehr als nur „Ti Amo“. „Let’s Do It Again!“ heißt jetzt die Tour, die am 17. Mai in Erfurt Halt macht und möglicherweise seine letzte zusammenhängende Konzertreise sein wird. Und im Juni erscheint die gleichnamige aktuelle Platte des Sängers als Re-Edition mit zahlreichen Bonustiteln. Von Howard Carpendale, 78, erfuhr Olaf Neumann, warum es von ihm keine weiteren Alben geben wird und was er mit den Beatles zu tun hatte:
Herr Carpendale, wenn Sie sich auf eine Tour vorbereiten, wie sehr quälen Sie sich dann für solch ein Ziel?
Howard Carpendale: Komischerweise je älter ich werde, umso mehr. Aber eigentlich ist kreative Arbeit keine Qual. Man ist immer sehr erleichtert, wenn man das Gefühl hat, etwas gefunden zu haben. Ich habe meine eigene Art, an so etwas zu arbeiten: Ich fahre dann an einen Ort, wo ich ganz einsam sitze, am liebsten auf einem großen Feld. Da höre ich zwei, drei Stunden lang Musik und überlege, welche Titel am besten zusammenpassen und wie die Ansagen sein sollten. Die sind im Grunde genommen der wichtigste Teil eines Konzertes. Sie sind der Moment, wo das Publikum den Menschen auf der Bühne irgendwie kennenlernt. Meine Ansagen sind manchmal witzig, manchmal ernst, manchmal politisch. Bei einem Konzert geht es immer um Emotionen.
Sie haben in einem anderen Interview betont, dass bei Ihnen alles live ist. Aber vieles von dem, was man heute in Konzerten hört, ist gar nicht mehr live. Wie finden Sie das?
Schade. Es umfasst die ganze Branche. Eigentlich müsste jemand, der heute auf einer Bühne steht, dazu verpflichtet sein, zu sagen, dass nicht alles live ist, was die Leute zu hören bekommen. Ich gehe diesen Weg nicht und bin glücklich, dass ich einen Musical Director habe, der das auch ablehnt.
Wie viel von Ihrer Show ist geplant, wie viel entsteht spontan?
Mein persönliches Gefühl ist, dass jeder Abend spontan ist. Was natürlich nicht ganz stimmt, denn ich überlege mir ja im Vorfeld eine Reihenfolge und Stichworte für Ansagen. Da die aber nicht auswendig gelernt sind, kommt es mir jeden Abend spontan vor. Man kann die ganze Produktion aber nicht wie früher einfach umschmeißen und etwas ganz anderes machen, weil es ein digital vorgeplantes Event ist. Aber wichtig ist, dass das Publikum das Gefühl hat, dass ich den Witz noch nie erzählt habe.
Wie stellen Sie Wärme her in einer Halle mit 10.000 oder mehr Menschen?
Das ist ein Phänomen, über das ich immer wieder in Briefen lese, die ich bekomme. Es klingt verrückt, aber es ist tatsächlich so, dass ich sehr oft höre: „Ich hatte das Gefühl, du singst nur für mich“. Letzten Endes ist es wohl dem Charisma geschuldet, was man nur schwer erklären kann. Man sollte als Künstler auch nicht versuchen, es zu sehr zu verstehen, weil man dann anfängt, Dinge zu tun, die gar nicht charismatisch sind. Wenn ich zehn Minuten vor einem Konzert die Aufregung da draußen höre, ist das immer etwas Besonderes. Leute kaufen sich die Tickets ja bis zu 15 Monate vor dem Termin. Deshalb möchte ich, dass sie nach der Show mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.
Diese Tournee soll angeblich Ihre letzte zusammenhängende Konzertreise sein. Planen Sie einen Abschied in Raten?
Ich möchte in Zukunft gerne mehrere Konzerte in Folge an einem Ort wie dem CCH in Hamburg spielen, wenn meine Gesundheit das erlaubt. Denn nicht nur der Künstler, auch das Publikum hat mehr davon. Das einzige, was ich an Tourneen nicht mag, sind die tausende von Kilometern, die man da fährt. Für mich wäre die schlimmste Art von Konzert ein volles Fußballstadion. Man verdient dabei viel Geld, aber es würde mir keinen Spaß machen. Ich hatte schon ähnliche Auftritte vor bis zu 300.000 Menschen an Silvester in Berlin, aber es ist grausam, weil man sich auf der Bühne sehr allein vorkommt. Mindestens 90 Prozent des Publikums kriegen da von der Show gar nichts mit.
„Let‘s do it Again“ soll angeblich auch das letzte Howard-Carpendale-Studioalbum sein.
Ja, das ist ganz sicher. Aber nicht nur mein letztes, denn ich bezweifle, dass in Zukunft generell noch viele Alben produziert werden. Vielleicht geht es nur noch ein paar Jahre. Im Grunde genommen sind Alben nur noch für die paar Menschen gedacht, die nicht mit Streaming klarkommen.
Glauben Sie auch, dass es unmöglich ist, noch bessere Songs zu schreiben als beim letzten Mal?
Nicht wenn man wie ich mit einem Team von jungen Menschen arbeitet, die sehr kreativ sind. Vorgestern habe ich im Studio ein sehr schönes, erwachsenes Liebeslied eingesungen. Aber am Ende stellt man fest, ich singe da über das Land Amerika. Solche kreativen Ideen bereiten mir immer noch viel Spaß. Ich glaube, dass es immer Themen gibt, über die man gute Lieder schreiben kann. Aber die Stücke, die heute zu Hits werden, sind zum großen Teil Party- und Tanzlieder. Das ist eine Richtung, die mir persönlich überhaupt nicht liegt.
Mit der App Suno kann jetzt schon jeder Mensch KI-generierte Hit-Songs schreiben. Ist das Ende der menschlichen Kreativität nahe?
Die Gefahr besteht. Mein jüngster Sohn, der in Amerika lebt, ist einer von denen, die mit KI und Gaming arbeiten. Er entwirft neue Spiele für die größten Silicon Valley-Firmen, obwohl er nicht dort wohnt. Das ist ein kompliziertes Berufsleben, über das ich mit ihm eigentlich gar nicht reden kann, weil es eine ganz andere Welt ist. Das ist schon schade. Natürlich hat alles Neue irgendwo auch etwas Gutes. Als das Internet aufkam, dachten alle, was für eine wunderbare Erfindung. Aber was haben wir daraus gemacht! KI wird per Gesetz schon reguliert werden, aber die andere Frage ist, ob China und Nordkorea die Regulierung mitmachen werden.
Vor Ihrer Zeit in Deutschland lebten Sie in England, wo Sie 1965 eine Zeit lang als Bodyguard für die Rolling Stones arbeiteten.
Das ist ein bisschen übertrieben. Ich und ein paar andere große Männer wurden gebeten, bei einer Veranstaltung der Rolling Stones das Publikum ein bisschen zurückzuhalten. Und daraus ist das entstanden.
Haben Sie sich damals bei Mick Jagger etwas abgeschaut?
Naja, er ist ein Phänomen und heute gar nicht viel anders als früher. Diese Art von unfassbarem Erfolg ist aber mit nichts anderem zu vergleichen. Ich will nicht sagen, dass ich von ihm etwas gelernt habe, er macht ja eine andere Art von Konzerten. Außer, dass man auf der Bühne sehr präsent sein muss.
1969 hatten Sie mit einer deutschen Version des Beatles-Songs „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ Ihren ersten Hit.
Das stimmt nicht ganz, aber es klingt besser als meine Geschichte.
Ist Ihre Version von den Beatles persönlich autorisiert worden?
Ich habe sie besucht, ja. Ich war in London bei ihrer Firma apple, in deren Büro. Bis auf John Lennon habe ich alle persönlich kennengelernt, und die Stimmung bei dem Treffen war sehr schön. Die Autorisierung findet in der Regel über einen Musikverlag statt, ich habe sie nicht selber gefragt, ob ich dieses Lied singen dürfe. Coverversionen waren damals gang und gäbe. Wenn ich zurückdenke, dann ist es schon ungewöhnlich gewesen, dass eine solch erfolgreiche Band und ihr Team es erlaubten, den Song in einer anderen Sprache zu singen. Aber sie haben es getan.
Was ist das Gute am Älterwerden?
So lange der Kopf dabei jung bleibt, ist es gut. Ich habe fast ausschließlich jüngere Menschen um mich herum. Ich glaube, ich kann denen viel erzählen. Da ist man schon ein bisschen cool und sieht nicht jedes Problem gleich als eine Weltkatastrophe an. Viele kleine Wehwehchen, die man hat, sind eigentlich nicht wichtig. Ich glaube, man wird im Alter größer. Aber man muss auch ein bisschen Kind bleiben.
Howard Carpendale: „Let’s Do It Again, Again!“, am 17. Mai in der Erfurter Messehalle
Liebe Grüße
arivle 🕊
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Danke Arivle, dass Du uns ermöglichst die vielen Interviews zu lesen.
Geht ja oft nicht ohne Abo.
Howard jetzt schon im Stress. Aber das gehört sicher zur Tour dazu.
Jedenfalls steigt die Vorfreude.
Liebe Grüße
Angelika
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Hallo Angelika,
ich schließe mich dem Dank an und freue mich auch immer, wenn ich diese Interviews lesen kann und sie hier stehen, weil arivle sie hier einstellt. - 3 Daumen hoch!!!
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