Howard Carpendale zeigt mit 78 Jahren bei seinem Heimspiel in der Olympiahalle, wie die Grenzen zwischen altem Hasen und jungem Hüpfer verschwimmen.
19. Mai 2024 - 10:05 Uhr | Christoph Streicher
München – Auch wenn die berühmte Alice schon seit vielen Jahren unbekannt verzogen ist: Ihr Nachbar ist immer noch da. Die Wohnung ist jetzt allerdings altersgerecht eingerichtet, 14 Haushaltshilfen und ein Ärzte-Team sind jetzt Tür an Tür mit Howard Carpendale. Mit 78-Jahren zeigte der Schlager-Star bei seinem Heimspiel in der Olympiahalle, wie die Grenzen zwischen altem Hasen und jungem Hüpfer verschwimmen.
Es klang allerdings so, als hätte die Show der „Let's Do It Again“ Tour fast nicht stattgefunden. Vor der Zugabe dankte er in einem eindrücklichen Moment seinen vier Ärzten hinter der Bühne, die ihn in den vergangenen Tagen fit bekommen hatten.
Fit für über zwei Stunden Show als bunte Mischung aus Hits, die drei Generationen aus dem Radio oder dem Festzelt kennen. Dazu die sonore Stimme, ein sympathischer Akzent und viele persönliche Anekdoten aus 58-Jahren Showgeschäft. Wow Howie, so altert man mit Würde auf der Bühne.
"Wer will diesen alten Sack noch sehen?“
Im Olympiapark vor der Halle hörte man vor dem Konzert schon Fans, die die Songs vom gebürtigen Südafrikaner aus den Handy-Lautsprechern mitgrölten. Sichtlich angefasst von der Stimmung, schlich ihr Idol von der Seite auf die Bühne. „Ich habe mich gefragt: Wer will diesen alten Sack noch sehen?“, rief er in die ausverkaufte Arena. Vor den ersten Tönen des Tour-Titeltracks musste er zweimal tief schlucken und sich am weißen Barhocker festhalten, der ihn sprichwörtlich durch den Abend trug. „Ich bin vor Konzerten eigentlich nie nervös, doch heute war ich es“, sagt er.
Die Extraportion Aufregung saß vor ihm im Publikum. Sohn Wayne mit Ehefrau Annemarie (als gefragtes Motiv für das Selfie unter den Fans) und Enkelsohn Mads (der sich in der Pause die Drumsticks vom Schlagzeuger sicherte) beobachteten das bunte Treiben.
Howard Carpendale dankte auf der Bühne auch seinen Ärzten.
Howard Carpendale dankte auf der Bühne auch seinen Ärzten. © Jens Niering (Jens Niering)
Es war voll auf der Bühne, die minimalistisch nur mit riesiger LED-Leinwand und einer Art leuchtendem und beweglichem Heiligenschein ausgestattet war. Der Schlager-Star selbst hatte dafür groß aufgefahren und eine 14-köpfige Band dabei. Moderne Künstler wie Apache 207, der heute Abend an gleicher Stelle aufläuft, brauchen inzwischen nur noch den Abspiel-Knopf am DJ-Pult zu drücken.
Die Halle hilft aus
Ob die Band und Sänger ablenken sollten, weil Carpendale gelegentlich mal Hilfe bei den ausdrucksstarken Refrains benötigte? Vollkommen egal! Spätestens bei den Megahits „Tür an Tür mit Alice“ (mit coolem Sample von Queen und dem berühmten Zwischenruf) oder „Hello Again“ (als fulminanter Öffner nach halbstündiger Pause) übernahm die Halle. Bei „Laura Jane“ zeigte er, was noch in den Stimmbändern steckt.
Dass Carpendale auch modern sein kann, bewies er beim Klassiker „Das schöne Mädchen von Seite 1“. Neu abgemischt mit Rap-Einlage vom Backgroundsänger. Und auch die Songs vom neuen Album wie „Ist ein Leben genug“ oder „Ungesagtes“ fanden Platz auf der Setlist. Howie spielte die rund 25 Lieder aus seinem Fundus von über 700 Titeln ganz ohne Teleprompter. Die Texte sitzen nach all den Jahren noch sicher - na ja, fast. Nur bei „Mit viel, viel Herz“ gab es einen kleinen Texthänger. Schnell vergessen.
Ausgelassene Partystimmung
Am Ende waren es nämlich die Radio-Hits, die im Gehörgang blieben. „Nachts, wenn alles schläft“ oder „Ti amo“, sorgten für ausgelassene Partystimmung. Und nun? Aufhören? Das sollen doch bitte andere machen. „Als ich von der Bühne gegangen bin, habe ich mich gefragt, ob es noch mal ein Konzert in München gibt. Ich habe mir fest vorgenommen zu singen, bis ich 95 bin.“ Also hoffentlich „Hello again“ bald mal wieder bei Howie's Heimspiel.
Quelle: Abendzeitung
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