Es wird neue Musik geben 👏
Howard Carpendale übt Kritik an der Musikbranche
Von Christian Riethmüller
29.05.2025, 12:13 Lesezeit:5 Min.
Er will weiter Musik machen, aber nach seinen Bedingungen: Vor seinem Konzert beim Hessentag in Bad Vilbel spricht Howard Carpendale über seine Karriere, seine Pläne und die Proben für seine Abschiedstour.
Herr Carpendale, spüren Sie angesichts Ihrer Entscheidung, im nächsten Jahr vom Tourneeleben Abschied zu nehmen, schon ein gewisses Wehmut? Oder freuen Sie sich schon auf mehr Zeit zu Hause?
Es wird eine komische Zeit werden, keine Frage. Aber ich habe mich darauf vorbereitet, und es gibt so viele Themen, die mich nach wie vor begeistern, sodass ich keine Angst habe, wieder in ein Loch zu fallen. Aber natürlich ist es auch Wehmut, aber gekoppelt mit einem großen Anteil an Demut, welcher überwiegen wird.
Und die Wochenlangen Reisen sind vorbei. Oder fahren Sie auf Tour auch nach Hause?
Das schon. Wir fahren nach den Shows meist noch unsere 300, 400 Kilometer. Ich könnte mir auch vorstellen, nach der Abschiedstournee noch hin und wieder eine Halle zu mieten, die Jahrhunderthalle in Frankfurt etwa, und dort en suite aufzutreten.
Also zwei, drei Konzerte hintereinander an einem Ort zu geben?
Vorausgesetzt natürlich, die Zuschauer wollen überhaupt etwas. Aber erst werde ich meine ganze Kraft darauf fokussieren, dass die Tournee 2026 einer Abschiedstournee würdig ist. Es wird sicher emotional werden, da geht etwas zu Ende, was mittlerweile sieben Jahrzehnte dauert. Das sollen schon Momente sein, die die Leute eine Weile in Erinnerung behalten werden.
„Ich lasse mir nicht vorschreiben, wie Musik klingen soll“
Haben Sie sich denn etwas Besonderes für diese Abschiedstour ausgedacht? Bringen Sie vielleicht noch einmal ein neues Album heraus oder zumindest einen neuen Song?
Ja, es soll ein paar neue Songs geben, aber ein neues Album nehme ich nicht mehr auf. Wie ich schon vor einigen Monaten erklärt habe, fühle ich mich mit den aktuellen Trends in der Musik nicht mehr wohl.
Meinen Sie hier die stilistischen Entwicklungen?
Ich meine vor allem die Entwicklung hin zum Streaming. Das ist nun eine ganz andere Branche geworden, auch mit neuen Regeln. Die geben zum Beispiel vor, dass die besten Lieder nicht viel länger als zwei Minuten dauern sollen, keine Gitarren und keine Soli haben sollen, zumindest in unserem Genre. Und ehrlich gesagt, lasse ich mir nicht gern vorschreiben, wie meine Musik klingen soll. Ich habe nun 60 Jahre lang meine Musik nach meinem Geschmack gemacht und ich glaube, das sollte so bleiben. Alben wird es auch nicht mehr geben, es sei denn, die Plattenfirma entscheidet – und ich glaube, die werden das tun – ein Art Best-of zu veröffentlichen. Und wenn ich in den nächsten Monaten noch drei neue Singles aufnehme, werden sie die wahrscheinlich auch draufpacken.
Vielleicht etwas naiv hatte ich bislang gedacht, dass jemand mit Ihrer Popularität und Erfahrung es aufnehmen konnte, was ihm gefällt, weil Ihre Fans es auf jeden Fall schätzen werden, ob Sie nun neue Schlager präsentieren oder vielleicht auch einfach alte Rock-'n'-Roll-Hits interpretieren. Doch die Vorgaben sind da wohl stärker, und die Plattenfirmen bestimmen, wie die Produktionen zu klingen haben?
Bei Singles schon. Auf jeden Fall ist eine Plattenfirma nicht mehr der Ort, wo man sich zusammensetzt und sehr lange darüber berät, was denn im Moment das Beste für eine Karriere wäre. Vielmehr geht es um die Position im Streamingmarkt. Ich kann das verstehen, denn dadurch verdienen sie das Geld. Ich hoffe, dass es zu einem Umdenken kommt, wie man es irgendwie anders und besser machen könnte. Und in meinem Fall geht es nicht um Geld, weshalb ich meine Musik machen möchte, wie ich sie schon jahrelang gemacht habe, in der Hoffnung, dass sie dem Publikum gefällt.
Der Zuspruch, den Sie immer noch haben, ist auf jeden Fall immens.
Das ist schön. Ich weiß nicht, wie viele Kollegen in ihrem Leben 25 Tourneen gegeben haben. Und doch kommt irgendwann der Punkt, an dem man das Gefühl hat, wir, und damit meine Kollegen, die das Beste geliefert haben, was uns möglich ist.
Hatten Sie dieses Gefühl schon?
Ja, bei der letzten Tour gab es diese Momente, und so wird man ja auch in Erinnerung bleiben. Wenn Sie unsere Branche studieren und sich etwa eine mehrstündige Fernsehshow anschauen, in der Musik läuft, dann ist das Durchschnittsalter dort schon lange nicht mehr 25, sondern erheblich älter. Und viel kommt nicht nach. Das ist für die Branche kein gutes Zeichen.
Nun gibt es aber einige Beispiele, Schlager und Unterhaltungsmusik mit anderen Musikstilen zu vereinen und so auch zu verjüngen. Stream etwa verbindet Schlager mit Rap, andere verwenden elektronische Beats.
Das ist das Problem. Indem die Branche schon seit einiger Zeit auf die Bassdrum als Hauptinstrument setzt, tut sie sich nicht fallen. Ich glaube, es ist hier höchste Zeit für einen Wandel. Einige meiner Kollegen haben das schon verstanden, etwa ein Mann wie Nino de Angelo, der einen Stil gefunden hat, der wirklich zu ihm passt. Er ist auch weg von dieser Party-Musik. Und das müsste auch die ganze Plattenindustrie mal verstehen, dass es genug mit dieser Art Musik ist, dass diese gelaufen ist. Aber sie meinen, was in den vergangenen zehn Jahren erfolgreich war, wird es auch weiterhin sein. Doch dieses Denken halte ich sehr gefährlich für die Branche.
Vor Kurzem haben sie die Musiker von Roy Bianco & die Abbrunzati Boys getroffen. Wie stehen Sie denn zu deren augenzwinkernder Herangehensweise an die deutsche Unterhaltungsmusik?
In dieser ironischen Richtung gab es ja schon vorher Künstler wie Dieter Thomas Kuhn. Ich muss aber sagen, dass mir der Auftritt mit Roy Bianco viel Spaß gemacht hat. Ich hoffe sehr, dass wir noch einmal zusammenkommen, vielleicht sogar eine Platte zusammen machen. Das ist nun kein Plan für den Rest meines Lebens, aber eine einmalige Sache zusammen würde ich sehr, sehr begrüßen.
Auf dem Hessentag in Bad Vilbel treten Sie ja beide auf, allerdings nicht am selben Tag. Ein Treffen dort ist aber nicht vorgesehen?
Oh, das wusste ich gar nicht, dass die auch dort spielen. Nein, es gibt kein Treffen.
Wie bereiten Sie sich eigentlich auf ihre Konzertreisen vor, wie nun auf die Sommer-Open-Airs und dann die Abschiedstournee vor? Gibt es noch lange Probewochen mit Band und Orchester?
Ich tausche mich vor den Touren intensiv mit unserem musikalischen Direktor aus, dem ich meine Wünsche mitteile und der seinerseits mit Ideen kommt. Die notieren wir, also nicht streng in Noten, sondern eher in Stichworten, bevor er dann mit den Musikern in die Proben einsteigt. Die dauern so etwa zwei Wochen lang, wobei ich dann die letzten zehn Tage dazukomme.
Proben Sie dann nur das musikalische Programm oder auch schon Ihre Ansagen und Plaudereien zwischen den Liedern? Oder folgen Sie dabei spontan dem Gefühl und der Atmosphäre in den jeweiligen Hallen und vor dem jeweiligen Publikum entsprechend?
Es soll auf jeden Fall und jeden Abend neu wirken. Mir ist das Entertainment ganz wichtig, ich möchte auch nicht einfach nur 25 Lieder präsentieren. Und, ja, ich möchte Emotionen wecken, in verschiedene Richtungen. Vielleicht erzähle ich ein paar Witze, spreche ein wenig über Politik. Oder wir ändern die Setlist und spielen einen beliebten Titel, den jeder am Ende eines Konzertes erwarten würde, ziemlich am Anfang, um gleich einen emotionalen Moment zu haben. Das kann auch riskant sein.
Folgen Sie dabei einem kleinen Skript, das Sie sich vorher ausgedacht haben?
In gewisser Weise schon. Wie ich vorher sagte, dauern die eigentlichen Proben für mich etwa zehn Tage. Doch schon in den drei oder vier Monaten vorher gehe ich jede Sekunde einer Show immer wieder gedanklich durch, um das Gespür für das richtige Timing zu bekommen. Das ist wichtig, denn die Shows dauern zwei bis drei Stunden. Das ist länger als die meisten Kinofilme.
In der Tat.
Und die Gefahr besteht darin, dass etwas so Langes schnell langweilig wird. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass wir immer die Aufmerksamkeit der Leute haben.
Machen Sie vor einer Tour eigentlich noch Stimmübungen oder trainieren Sie quasi on the job?
In den Wochen vor dem ersten Konzert mache ich das schon. Das ist wie ein Muskel, den man trainiert. Also singe ich drei, vier Wochen lang jeden Tag gut eine Stunde lang laut zu meiner oder auch zu anderer Musik mit, um die Stimme zu kräftigen. Auf der Tour selbst dann aber nicht mehr.
Quelle: FAZ, 29.5.25
Liebe Grüße
arivle 🕊
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